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Taschenkalender

Es gibt da diesen einen Begleiter in meinem Leben, den ich nie mehr missen möchte. Er ist wunderschön, eh klar, so schön wie ein strahlender Sommermorgen auf einer Ostseeinsel. Ich stehe mit ihm auf, ich gehe mit ihm zu Bett, er ist immer bei mir, egal wo ich gehe oder stehe. Fahr ich auf Reisen steckt er griffbereit in meiner Tasche. Sitze ich zu Hause darf es keine 3 Sekunden dauern bis ich ihn in der Hand halte und durchblättern kann. Jeden Tag verrät er mir die Geheimnisse meines Lebens, die Wegmarken meines Dasein, den Rhythmus meines Alltags. Denn meine Begleiter ist ein Planer. Ein Erzähler. Ein Terminkalender. Fangen wir bei seiner Größe an: Abseits jedweder DIN-Norm liegt er perfekt in der Hand und auch ist auch ungefähr genauso groß wie eine von meinen beiden Händen. Von Außen fällt sogleich das grob gebeizte braune Naturpapier auf, mit welchem er eingebunden ist. Ein dunkler, naturnaher Körper, so unverblümt wie auch das Leben selbst, dass ich darin festhalte. Oben rechts auf der Titelseite prangt in kleiner Schrift in kontrastierendem Türkis der Inhalt: 2021! Betrachte ich ihn nun geschlossen von oben und der Seite fällt sogleich die im selben Türkis gehaltene Seiteneinfärbung auf, die sich auch im ideal gespannten Gummizug wiederfindet, welcher mit dem exakt richtigen Druck den Kalender einfassen kann und sich mühelos ad-hoc lösen lässt sobald ein Blick oder Eintrag von Nöten wird. Gehalten wird der Gummizug von kleinen Metallringen, welche unauffällig aber gefällig in die Rückseite eingestanzt sind. So bleibt der hochwertige Eindruck von einfachen aber nachhaltigen und soliden Materialien. Auf dem dem Rücken wiederholt sich die Schlichtheit und ein erneutes 2021 und der Markenname im selben Türkis verraten zurückhaltend auch hier den Inhalt. Beim Öffnen fällt sogleich die leere Seite auf. Eine Zwischenseite, um nicht gleich mit der Tür in's Terminliche Haus zu fallen, ein Relikt aus Romanzeiten, eine Höflichkeit aller Schulen, eine Zurückhaltung von freundlichster Natur und Güte. Die Seiten bilden ein großartiges Verhältnis aus Recycltem Papier und Glätte zum einfach Blättern und über die Seiten streichen. Und dabei wirkt es dünn aber nicht fragil, dick, aber nicht unangenehm wie Pappe. Die Finger möchten nie mehr durch anderes streifen. Auf den Ersten bedruckten Seiten zeigt sich dann zunächst eine Jahres, dann eine Monatsübersicht und schlussendlich das heiligste, dass Innere eines Organisationstalent, das nicht mehr braucht als das: Wochen auf zwei Seiten. Links die seben Tage rechts die Notizen. Als ich den Kalender zum ersten mal öffnete öffnete sich auch mein Herz, ihm alles anzuvertrauen, was ich wusste und fühlte, was ich plante und mir wünschte. Denn oft ist mein Planer auch Ausdruck einer Sehnsucht, einer Terminanfrage, eines eventuellen Stelldicheins oder Bewerbungsgesprächs oder Urlaubs in Spe. Die Notizseite nutze ich dann zum Austoben abseits der nackten Fakten, was die einzelnen Tage betrifft. Dort landen to-do Listen und hab-ich-erledigtListen und alles was nicht von dieser rationalen Welt ist. Und wenn der Platz nicht reicht dann weiche ich auf die ca 100 Seiten freie punktierte Schreibfläche am Ende des Buches aus. Dort landen dann längere Ergüsse, die sich spontan aus dem Flirren des Moments ergeben, aus der Genialität des funkelnden Moments in der U-bahn, wenn der eine alles entscheidende Gedanke kommt. Oder beim Spazieren gehen die guteNachtGeschichte plötzlich vor mir schwebt und ich sie nur noch aus der Luft greifen muss. Dann zücke ich meinen Kalender aus pflanzlichen Stoffen, an dem kein Stück Leder sich verloren hat. Aus einem Guss ganz klar und direkt reckt er sich mir entgegen, bereit für den nächsten Abschnitt meines Lebens.


Text: Justus Spannaus



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